Lieber Autor,

Hallo! Entschuldigung – Ja, tut mir leid, aber – Hörst du mir zu? Ja, ich kann warten. 

………

Ja! Hallo. Ich bin unheimlich dankbar für deine Zeit. Wer ich bin? Erkennst du mich nicht? Natürlich … Nein, ist schon okay! Ich weiß, dass dir nie besonders viel an Beschreibungen gelegen hat. Ich will auch gar nichts dagegen sagen, nein, ist schon in Ordnung so. Wobei ich mir schon wünschte, wenigstens eine Haarfarbe oder eine gescheite Größe zu haben … 

Ach, vergiss das alles. Ich bin es. [Charajter 5]. Du hast mich auf Seite 62 ins Leben gerufen. Nein, nicht in deinem aktuellen Manuskript. In dem davor. Ja, genau das. 

Es stört mich auch eigentlich gar nicht, dass du mir nur einen Platzhalter als Namen gegeben hast. Tatsächlich gefällt er mir mittlerweile ziemlich gut. Es stört mich noch nicht einmal, dass du ihn falsch geschrieben hast. Ich glaube, das gibt mir ein gewisses Etwas. Ich fühle mich besonders. Meine Freunde – alle anderen Klammerfiguren – erkennen mich sofort, ohne dass sie sich meine Nummer merken müssen. Also, wirklich: Ich danke dir. 



Was mich doch ein wenig stört – und bitte, ich meine das nicht als Kritik, ich bin ja ganz sicher, dass du deine Geschichte schon fest im Kopf hast, und ich frage nur aus Neugierde nach, wirklich, absolut kein Druck – ist Handlungsbogen 2. Das Ende davon. Es ist nur … Oh, ich fühle mich so albern, dass ich es überhaupt anspreche. Du arbeitest bereits an deinem nächsten Entwurf. Vielleicht hast du schon ganz andere Pläne. Und trotzdem … Ich werde es nicht aus meinem Kopf bekommen, bis ich darüber gesprochen habe, also los geht’s: Wirst du mich wirklich töten?

Bevor du irgendwas sagst: Ich weißt genau, wie das klingt. Ich will gar nicht weinerlich rüberkommen oder sowas in der Art. Ich weiß, dass ich einen Job zu erledigen habe. Das werde ich auch, versprochen! Aber … Wirklich? Bist du dir sicher? Ich kann einfach nicht erkennen, was der Sinn davon ist. Ich habe nicht einmal einen Namen, um Himmels willen! Wer wird auch nur eine Träne um mich verdrücken? Du hast mir keine Familie oder Freunde oder sonst jemanden gegeben, der auf meinen Tod reagieren wird. Was soll das? Wenn du die Leser einfach so schockieren möchtest …

Ach, ich hab schon wieder viel zu viel gesagt. Behalte es einfach im Hinterkopf, okay? Und wenn du versucht, die Geschichte ernster zu gestalten, wie wäre es, wenn du mir ein paar Kleinigkeiten gibst, die mich denkwürdig machen? In dem Fall hätte ich ja gar nichts groß dagegen. 

Mit freundlichen Grüßen, 

Dein (im wahrsten Sinne des Wortes) [Charajter 5]

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